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Manifest der Digital Humanities

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Kontext

Wir, Akteure oder Beobachter der digital humanities, haben uns in Paris zum THATCamp am 18. und 19. Mai 2010 versammelt.

Während dieser beiden Tage haben wir diskutiert, uns ausgetauscht und gemeinsam darüber nachgedacht, was die digital humanities sind und haben versucht uns vorzustellen und auszudenken, was sie werden könnten.

Am Ende dieser beiden Tage, die nur ein erster Schritt sein können, schlagen wir den Forschungscommunities und allen, die an der Erschaffung, der Veröffentlichung, der Aufwertung oder der Konservierung von Wissen beteiligt sind, ein Manifest der digital humanities vor.
I. Definition

1. Der digitale Wandel der Gesellschaft verändert und hinterfragt die Bedingungen der Produktion und Verbreitung von Wissen.

2. Aus unserer Sicht betreffen die digital humanities die Gesamtheit der Sozial- und Geisteswissenschaften. Die digital humanities sind keine tabula rasa der Vergangenheit. Im Gegenteil, sie stützen sich auf alle Paradigmen, Können und speziellen Kenntnisse dieser Disziplinen, indem sie die Werkzeuge und einzigartigen Perspektiven der digitalen Technologie mobilisieren.

3. Die digital humanities beschreiben eine “Transdisziplin”, die alle Methoden, Systeme und heuristischen Perspektiven umfasst, die mit dem Digitalen in den Sozial- und Geisteswissenschaften verbunden sind.
II. Situation

4. Wir stellen fest:

- dass sich seit einem halben Jahrhundert die Experimente im Bereich des Digitalen der Sozial- und Geisteswissenschaften stark vervielfacht haben. Seit kurzem sind Zentren der digital humanities entstanden, die derzeit alle Prototypen oder Anwendungsorte von spezifischen Vorgehensweisen derdigital humanities sind.

- dass digitale Verfahren größere technische und folglich auch wirtschaftliche Beanspruchungen für die Forschung mit sich bringt; dass diese Beanspruchungen eine Gelegenheit darstellen, Gemeinschaftsarbeit voranzubringen;

- dass eine gewisse Anzahl von erprobten Methoden existieren, die jedoch nicht gleichermaßen bekannt und gemeinsam genutzt werden;

- dass zahlreiche communities existieren, hervorgegangen aus einem gemeinsamen Interesse für Praxis, Werkzeuge oder fächerübergreifende Ziele (Codierung von Textquellen, geographische Informationssysteme, Lexikometrie, Digitalisierung des kulturellen Erbes, Wissenschaft und Technik, Kartographie des Web, 3D, Audio-Archive, Künste und digitale Literatur sowie Hypermedia etc.), und dass diese communities sich ähnlich ausrichten und gemeinsam den Bereich der digital humanities formen.
III. Erklärung

5. Wir, Akteure der digital humanities, bilden eine solidarische, offene, einladende und frei zugängliche Praxisgemeinschaft.

6. Wir sind eine Gemeinschaft ohne Grenzen. Wir sind eine mehrsprachige und fächerübergreifende Gemeinschaft.

7. Unsere Ziele sind Wissensfortschritt und Qualitätssteigerung der Forschung in unseren Disziplinen, sowie die Anreicherung des Wissens und des gemeinsamen Kulturerbes über das akademische Wirkungsfeld hinaus.

8. Wir rufen dazu auf, die digitale Kultur in die allgemeine Kultur des 21. Jahrhunderts aufzunehmen.
IV. Orientierungen

9. Wir rufen zu einem freien Zugang zu Daten und Metadaten auf. Diese müssen dokumentiert und austauschbar sein, sowohl technisch als auch konzeptuell.

10. Wir unterstützen Verbreitung, Umlauf und freie Veränderbarkeit von Methoden, Codes, Formaten und Rechercheergebnissen.

11. Wir rufen dazu auf, die Ausbildung in den digital humanities in die Studiengänge der Sozial- und Geisteswissenschaften zu integrieren. Wir wünschen uns außerdem eigene Diplome für die digital humanities und die Entstehung von speziellen Berufsausbildungen. Schließlich wünschen wir uns auch, dass diese Kompetenzen bei Einstellungen und Karriereentwicklungen berücksichtigt werden.

12. Wir engagieren uns für die Erarbeitung von kollektiven Kompetenzen, die sich auf ein gemeinsames Vokabular stützen, und die aus der gemeinsamen Arbeit aller Akteure hervorgehen.

13. Wir möchten uns an der Definition und der Verbreitung von best practice-Regeln beteiligen, die dem disziplinären und transdisziplinären Bedarf entsprechen, die entwicklungsfähig sein und aus einer Debatte und schließlich einem Konsens innerhalb der beteiligten communities hervorgehen sollen. Die grundsätzliche Öffnung der digital humanities stellt einen pragmatischen Zugang der Protokolle und der Visionen sicher, der das Recht auf Koexistenz von verschiedenen Methoden und Wettbewerbern zugunsten von Gedanken und Praktiken aufrecht erhält.

14. Wir rufen dazu auf, erweiterbare Cyberinfrastrukturen zu bilden, die dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Diese Cyberinfrastrukturen werden sich iterativ bilden, indem sie sich auf Methoden und Vorgehensweisen stützen, die innerhalb der Forschungscommunities erprobt wurden.
Tretet uns bei!

Marin Dacos

Directeur du Centre pour l'édition électronique ouverte

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